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Interview mit Florian Langlotz: “Holistisch heißt, Partner in der Fertigung innovativ und nachhaltig zusammenzubringen”

Sektorenkopplung stellt Planer und Berater weltweit vor neue Aufgaben. Wie Drees & Sommer eine ganzheitliche Planung von Fabriken und Industrieparks angeht, erläutert Partner Florian Langlotz im Gespräch.


Drees & Sommer begleitet die Automobilindustrie bei der Fabrikplanung mit einem ganzheitlichen, “holistischen” Konzept. Was bedeutet das?


Wir sind eben nicht nur Fabrikplaner, sondern denken die gesamte Infrastruktur eines Projekts mit – vom Grundstück über die Gebäude, die Produktionsprozesse und die komplette Produktionstechnik dahinter. Unsere DNA ist die ganzheitliche Befassung mit dem Bedarf des Kunden. Es geht nicht darum, seine eigene Leistung zu verkaufen. Es geht vielmehr darum, Lösungen für den spezifischen Bedarf des Kunden sowie des Projektes zu finden. Hierzu bedarf es auch eines breiten Netzwerks an Partnern und Kooperationen. Ein schönes Beispiel ist die Batteriezelle: Wenn ich mir die Batteriezellenfertigung anschaue, muss ich bereits für mein aktuell geplantes und in Realisierung befindliches Projekt die Innovationen von morgen kennen. Seien es Trends und Innovationen bei den Produktionsanlagen oder auch beim Beschichtungsverfahren. Ich muss wissen, wie auch in der Zukunft produziert wird. Um dies zu ermöglichen, brauche ich bereits in der Projektplanungsphase die Experten aus dem Bereich der Produktentwicklung, aber auch Hersteller von Produktionsanlagen mit ihren technologischen Anforderungen an Bord.


Bereits in der Projektplanungsphase gehören Experten aus der Produktentwicklung, aber auch die Hersteller von Produktionsanlagen an Bord.

Lässt sich dieses Konzept denn generell eher auf der grünen Wiese als in bestehenden Standorten, dem “Brownfield”, realisieren?


Es ist planerische Königsdisziplin, sicherzustellen, dass ein neues Fahrzeug oder Produkt mit den hohen Qualitätsanforderungen innerhalb kurzer Zeit in bestehenden Strukturen eines Werks, auch „Brownfield“ genannt, gebaut werden kann. Diese Anforderungen sind meist im Greenfield-Projekt einfacher umsetzbar, als in den gewachsenen und bestehenden Strukturen eines „Brownfield“.Hierzu gibt es aktuelle Beispiele, wie Fahrzeughersteller in kurzer Zeit in bestehenden Werken ihre neue Produktion aufbauen. Beispielsweise errichtet Chery im alten Werk von Nissan in Barcelona aktuell in kürzester Zeit seine neuen Produktionsstrukturen. Auch für das in Schließung befindliche Audi-Werk in Brüssel gibt es gemäß Medienberichten bereits Interessenten von anderen Fahrzeugherstellern, um in kurzer Zeit eine Produktion aufzubauen. Brownfield geht mit deutlich geringerem finanziellen Aufwand. Bestehende Gebäude sowie entsprechende Infrastruktur sind vorhanden, innerhalb kürzester Zeit kann eine Produktion adaptiert und Produktionsstraßen angepasst werden. Bei Brownfieldstandorten existiert meist ebenfalls eine entsprechende Zuliefererstruktur um das Werk mit Unternehmen, die sich auch innerhalb kürzester Zeit anpassen können.


Es ist planerische Königsdisziplin, sicherzustellen, dass ein neues Fahrzeug innerhalb kurzer Zeit in bestehenden Strukturen eines Werks gebaut werden kann.

Welche neuen Aufgaben stellen sich bei der Nachhaltigkeit?


Wenn wir einen Industriepark planen, fragen wir: Welche Firmen sollen sich zukünftig ansiedeln und in welchen Bereichen des Grundstücks sollen sich diese ansiedeln? Erzeugen sie durch ihre Produktionsprozesse Energie, die man weiternutzen kann? Mögliche Planungen hierzu sind heute sehr, sehr divers. Wenn bei einer Firma Bedarf zur Wärmeversorgung besteht, hat vielleicht eine andere Firma Wärme als Überschuss und kann diese bereitstellen. Zu klären ist, wo und ob die Wärme aus Gas, aus Öl, aus nachhaltiger Abwärme oder vielleicht aus Wasserstoff erzeugt wird. Aus dem eigenen Energieüberschuss kann vielleicht ein Profit-Center für den Bereitsteller und eine C02-Ersparnis für den Abnehmer entstehen. Das sind die neuen Denkweisen aus der Sektorenkopplung. Sie ermöglichen und erfordern intelligente Partnerschaften zwischen Firmen und innerhalb Industriegebieten. Planerisch macht das ganz neue und unterschiedliche Sichtweisen, erweiterte technische Kompetenzen und neue Netzwerke notwendig.


Sektorenkopplung ermöglicht intelligente Partnerschaften zwischen Firmen und macht neue Kompetenzen notwendig.

Wie ist die Akzeptanz für dieses Thema, weltweit und auch in China?


Auf dem Automobil-Kongress 2024 der CIIPA hat unser vorgestellter holistischer Ansatz bei den chinesischen Teilnehmern sehr großen Anklang gefunden. In China, aber sehr wohl auch in Europa und in der westlichen Welt, wo Industrieparks entwickelt werden, sehe ich noch Handlungsbedarf. Konzepte der Sektorenkopplung verdanken sich nicht einfach einer luxuriösen europäischen Technik-Perspektive, sie gehen weit über die bekannten Investitionen in Windkraft und Solarenergie hinaus. Wir reflektieren damit ja einen dringenden globalen Bedarf, Energieüberschuss nutzbar zu machen. Wir stellen uns damit der Aufgabe, nachhaltiges industrielles Wachstum zu sichern, auch in den Schwellenländern. Dazu passt es übrigens, dass es auch für unsere chinesischen Kunden wichtig ist, dass sie global präsent sind. Unsere Kunden wollen mit uns in neue Märkte für industrielle Entwicklung, Investition und Absatz gehen. Für Drees & Sommer heißt dies, in all diesen Märkten präsent zu sein. Denn wir wollen Kunden beim kulturellen Verständnis der Märkte unterstützen und mit unserem globalen Footprint weltweit begleiten.


Wie schnell sind denn neue Projekte umzusetzen?


Man muss klar sagen: Es gibt einen China-Speed – in China! Das liegt an den vorhandenen Personalstärken, an der Investitionsbereitschaft und an verfügbaren Grundstücken. In Europa stehen wir vor anderen Anforderungen. In Europa und generell in der westlichen Welt spielen politische Gegebenheiten und Genehmigungsverfahren für Grundstücke eine große Rolle. Hier gibt es den Wettbewerb um die sogenannten Filetstücke, welche große Flächen mit schnell genehmigter Bebaubarkeit sind. Diese weisen meist entsprechende Erschließungen, bspw. ausgebaute Verkehrsanbindungen für die Logistik sowie nachhaltige Konzepte der Energieverorgung aus. Bei den Technologien und den Strukturen in der Produktion sehe ich China nicht vor den europäischen und amerikanischen Firmen. Wie Fahrzeuge produziert werden, ist durchaus ähnlich zwischen Europa, Amerika und in China. Und Trends in der Produktionsveränderung sind hier meist globale Effekte.


Aus unserem ganzheitlichen Ansatz folgt, dass wir alle, die zu gemeinsamen Lösungen beitragen können und wollen, zusammenbringen.

Was wollen Sie mit Ihren Veranstaltungen erreichen – mitten in einer durchaus schwierigen Zeit für die Automobilindustrie?


Wir wollen die Perspektiven der Automobilproduktion erweitern. Es geht nicht nur um die singuläre Betrachtung einer Produktentwicklung, der Produktionsprozesse sowie der Gebäude und Infrastruktur. Wenn wir Nachhaltigkeit und Effizienz schaffen wollen – und dies ist die Kern-DNA von Drees & Sommer – so müssen wir diese Dinge ganzheitlich betrachten. Genau dies wollen wir auf unseren Events, welche wir als Netzwerkplattformen verstehen, schaffen. Wir bringen hier Unternehmen und Experten aus allen Bereichen zusammen, um über Synergien und Kooperationen zu sprechen und Impulse auszutauschen. Von der Erstveranstaltung der New Manufacturing World 2024 kamen sehr gute Impulse für die Welt der Automobilproduktion. In Böblingen war Gigacasting ein großes Thema, das ja exemplarisch von Tesla aus den USA heraus vorangetrieben wurde. Hier ist China übrigens sehr schnell mitgegangen. Der Aspekt der Innovationen wird auch bei unserem nächsten Kongress in München eine Rolle spielen. Bei der New Battery World werden wir Entwicklungen sichtbar machen können, die noch nicht in der Zeitung stehen. Diese werden das Produkt und die Fertigungsverfahren auf eine neue Ebene von Qualität bringen und zu Kostensenkungen und somit günstigeren Fahrzeugen beitragen. In einer Zeit, in der Absätze rückläufig sind, ja einige Produktionsprojekte gestoppt wurden und sogar Insolvenzen drohen, zielen wir auf das sensible Thema der wirtschaftlichen Entwicklung der Elektromobilität und der Batterieproduktion in Europa. Aus unserem ganzheitlichen Ansatz folgt ja, dass wir auch mit unseren Plattformen Kooperations- und Netzwerkpartner zusammenbringen – aus dem Bereich des Anlagenbaus, die Zulieferer, alle, die zu gemeinsamen Lösungen beitragen können und wollen. Wir sind von der Resonanz auf unseren Impuls positiv überrascht. Stand heute werden über 80 sehr namhafte und vor allem innovative Firmen am Kongress teilnehmen. Wir freuen uns schon sehr auf die Diskussionen und den Austausch.


Interview geführt von Hans Gäng, local global GmbH

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