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Interview mit Prof. Dudenhöffer: “Hinter der Zollmauer wird man noch schwächer”


Prof. Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch über den Wettbewerb mit China, die aktuellen Chancen der deutschen Autoindustrie – und seinen persönlichen Antrieb, der Branche Impulse zu geben.


Herr Prof. Dudenhöffer, es ist jetzt vier Jahre her, dass Sie hier im CIIPA-Jahresbericht der deutschen Autoindustrie neue Geschäftsmodelle und neue Partnerschaften mit und in China vorgeschlagen haben. Wie kommt dieser damals schon einsame Ruf denn heute an?


Es kommt mir nicht darauf an, gehört oder verstanden zu werden. Wichtig ist, dass wir erkennen, wie stark sich die Welt verändert. Und im Automobilbereich heißt diese neue Welt China. In China werden mittlerweile mehr als 50 Prozent der Autos als Elektroautos verkauft – zu Kostenstrukturen, die für die Kunden sehr interessant sind. Und die Fahrzeuge bieten jede Menge an IT und Digitalem, was wir so noch nicht kennen. Also alle haben verstanden, dass China die Heimat des neuen Autos ist. Denken Sie nur an die großen Entwicklungszentren, die unsere Hersteller jetzt in China haben. Die von Quartal zu Quartal enttäuschenden Verkaufszahlen deutscher Autobauer in China bedeuten wirtschaftliche Schwierigkeiten, aber auch Veränderungsbedarf. Ich glaube, das sehen alle. Und wer das nicht sieht, wird in zehn Jahren keine Rolle im Automobilgeschäft mehr spielen.


In den Leitartikeln lesen wir fast überall eine gleichlautende Analyse, China habe einen staatlichen Angriff auf “unsere” Märkte subventioniert. Ist das eine zutreffende Sicht der Dinge?


Das sind Märchen und Mythen, die man dann erzählt, wenn man glaubt, man hat im Wettbewerb verloren. Schauen Sie sich Deutschland an, wie traurig der Zustand dieses Landes geworden ist. Auch in Europa fällt uns nicht mehr ein, als jetzt eine Mauer zu bauen, und zu glauben, wenn man die Mauer hoch genug baut, dann hat man Schutz. Das Gegenteil ist der Fall. Hinter der Mauer wird man noch schwächer. Das, was uns zu den unterschiedlichen Zuschüssen für die unterschiedlichen chinesischen Autos erzählt wird, sind nach meiner Einschätzung wenig faktenbasierte Dinge.


China ist eine Maschine, die Innovationen schafft. Chinas Unternehmen haben ein sehr, sehr großes Interesse, Neues zu schaffen.

Wie nehmen Sie die Innovationskraft chinesischer Hersteller und Ökosysteme wahr?


China ist eine Maschine, die Innovationen schafft. Chinas Unternehmen haben ein sehr, sehr großes Interesse, Neues zu schaffen, etwas zu machen, was interessant ist für andere, was sich verkaufen lässt. Bereitschaft zur Innovation und Technologieorientierung sind eine weit verbreitete Mentalität in China. Wenn man die Städte, die Fahrzeuge anschaut und sieht, wie neue Entwicklungen aufgenommen werden: Alles geschieht in atemberaubender Geschwindigkeit. Nur ein Beispiel: das Gigacasting, das Musk als erster gebracht hat. Die Deutschen blieben zurückhaltend, genaue Spaltmaße waren ja wichtiger. Die Chinesen haben jetzt Maschinen im Einsatz, die mit 13.000 Tonnen Schließdruck immer größere Teile pressen und damit die Fahrzeuge preisgünstiger machen. Und bei den Betriebssystemen begreifen die Chinesen das Auto als Teil eines digitalen Ökosystems – von diesen Innovationen sind wir in Deutschland Lichtjahre entfernt.


Ist denn da der Globalisierungsprozess der chinesischen Automobilindustrie durch Handelspolitik irgendwie aufzuhalten?


Das ist dumm, was man da macht. Es ist dumm, was man in Brüssel macht und zum Teil in Deutschland vorhat. Der Wettbewerb wird immer gewinnen. Auch gegen die Mauern, die jetzt die Frau von der Leyen hochzieht und die Frankreich als Staatsräson pflegt. Die chinesischen Hersteller werden mit ihren Fabriken hierherkommen. Es ist wichtig, dass unsere Zulieferer in deren Wertschöpfungsketten kommen, gemeinsam Neues schaffen.


Die Verbesserung von Fahreigenschaften und Marktkenntnis sind Wertschöpfungsthemen, die wir in Kooperationen einbringen können

Wo ist denn überhaupt noch Raum für Kooperationen, welche Rolle in der Wertschöpfung können europäische Zulieferer spielen?


In der Digitalisierung ist China in der Tat weit vorangeschritten. Aber die Verbesserung von Fahreigenschaften ist unser Wertschöpfungsthema, das wir einbringen können. Alle, die im Zulieferbereich an diesen Dingen arbeiten, haben eine gute Chance, sich mit chinesischen Autobauern zu verbinden. Oder die lokalen Vorteile, die wir haben – die Art, wie wir Fabriken bauen, Leute und Partner gewinnen. Auch die Chinesen machen manchmal Fehler, weil sie die Kulturen hier nicht richtig verstehen. Nehmen sie die Vertriebssysteme, mit denen sie schnell in den Markt wollen und wie viel Geld sie dort verbrennen. Da heißt es auch für chinesischen Unternehmen, etwas Demut zu zeigen. Es ist falsch zu glauben, dass man nur mit einem großen Schiff 3000 Autos anlanden müsse, um Europa zu erobern. Nur wer sich richtig verstehen will, kann gut zusammenarbeiten.


Wir müssen uns sorgfältig die Teile suchen, wo wir mit unserer Ingenieurkunst in dieses Puzzle der neuen Wertschöpfung am besten passen

Ein neues Feld der Wertschöpfung ist die Batterieproduktion. Welche Perspektiven hat hier die Kooperation? Gibt es hier noch Raum für europäische Wertschöpfung?


Ja, da gibt es Raum. Man muss sich die verschiedenen Stufen der Fertigung anschauen. Bei der Tockenbeschichtung, beim Dry Coating. Von China hat man da noch nicht so viel gesehen. Oder die Solid State – oder Feststoffbatterie. VW und PowerCo haben hier intensiv getestet und gute Ergebnisse erzielt; jetzt geht es in die Serienproduktion. Asahi Kasai, ein japanisches Unternehmen, hat einen hochwertigen, ja überlegenen Elektrolyten geliefert. Wir müssen uns sorgfältig die Teile suchen, wo wir mit unserer Ingenieurkunst in dieses Puzzle der Wertschöpfung am besten passen. Und wir müssen den Kunden das auch zeigen – auch in Shanghai, auf der mittlerweile wichtigsten Automesse der Welt. 2025 wird die wichtigste Messe der letzten 20 Jahre werden.


Gemeinsam mit Drees&Sommer haben auch Sie gerade die  New Manufacturing World, jetzt die Battery World in München initiiert und auf der Auto Shanghai werden Sie auch aktiv sein. Eine persönliche Frage zum Schluss: Was treibt sie dabei immer noch an?


Ja, ich bin 73 und die Frage haben mir die Vorstände bei Drees & Sommer auch gestellt. Ich habe nur zurückgefragt: Haben Sie schon mal die 9. Symphonie von Beethoven gehört? Beethoven hat sich mit ihr gequält, als er schon taub war und kaum mehr gesehen hat. Ich bin nicht Beethoven, ich will damit nur sagen: Wir sind nicht hier, um Urlaub zu machen auf der Erde, in Honolulu den Bauch in die Sonne zu strecken, sondern um eine Vision, ein Ziel zu haben. Die Chance besteht, dass wir weltweit zusammenarbeiten, gemeinsam auf eine höhere Stufe kommen. Wer alleine ist und rechnet, der addiert nur. Lassen Sie uns multiplizieren, mit diesem dynamischen China, das auch uns zu Innovation und Zukunft mitziehen kann.




Interview geführt von Hans Gäng, local global GmbH

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