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Heidelberg Pharma: Gemeinsam sind wir im Markt besser aufgestellt als alleine

Aktualisiert: 25. Apr.

Prof. Dr. Andreas​​​​ Pahl, CEO Heidelberg Pharma AG



Was ist die Idee, die Sie bei Heidelberg Pharma antreibt?


Krebs ist und bleibt die herausforderndste Krankheit der Menschheit. In den kommenden zehn Jahren wird sich die Zahl der Neuerkrankungen auf dann 30 Millionen pro Jahr verdoppeln. In den vergangenen Jahren wurden in der Krebsforschung große Fortschritte erzielt, die die Überlebensraten und Überlebensdauer deutlich steigern konnten. Ein Hauptproblem bleibt jedoch bestehen: Mehr als neunzig Prozent der Erkrankten entwickeln Resistenzen gegen die Medikamente. Hier setzen wir mit unserer Forschung bei Heidelberg Pharma an. Wir entwickeln eine Klasse von Krebsmedikamenten, die auf einem völlig neuem Wirkprinzip beruht und das Potenzial hat, Resistenzen bestehender Therapien zu durchbrechen. Dabei ist unser Wirkstoff auch noch wesentlich nebenwirkungsärmer. Wir sind also in der Lage, in naher Zukunft auch austherapierten Patienten ein Stück weit Lebensqualität und eine neue Perspektive zu schenken.


Welchen Weg hat Heidelberg Pharma dabei hinter sich?


Wir sind über eine Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg zu unserem neuartigen Ansatz gekommen: Unser fortgeschrittenster Wirkstoffkandidat beruht auf dem Wirkstoff Amanitin, einem Gift aus dem Grünen Knollenblätterpilz. Diesen Wirkstoff haben wir synthetisiert und weiterentwickelt. Wir verbinden die Wirksamkeit dieses und anderer Toxine mit der hohen Affinität und Spezifität von Antikörpern in so genannten Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (Antibody Drug Conjugates - ADCs). Durch die Kopplung an den Antikörper gelangt das Therapeutikum zielgerichtet zu den Tumorzellen, dringt in diese ein und zerstört die erkrankten Zellen, ohne dabei gesundes Gewebe anzugreifen. Dieser neue, zielgerichtete Wirkmechanismus ist dadurch wesentlich nebenwirkungsärmer als beispielsweise Chemotherapien.


Was sich so einfach anhört, ist für die Forschung ein langer Weg, auf dem es gilt, an vielen Stellschrauben gleichzeitig zu drehen: Antikörper, Kopplung und Wirkstoff müssen perfekt aufeinander abgestimmt werden. Der Weg zu einem Medikament erstreckt sich über viele Phasen. Den Anfang macht die Präklinik im Labor, die erste Daten über die Wirksamkeit und Verträglichkeit liefert. Erst dann kann ein neuer Wirkstoff überhaupt klinisch am Menschen getestet werden. Wenn ein Medikament am Menschen getestet werden soll, müssen Sicherheitsuntersuchungen mit den höchsten Standards durchgeführt werden. Zudem muss der eingesetzte Wirkstoff unter hohen Qualitätsstandards in ausreichender Menge produziert werden. Diesen Schritt haben wir an Lohnhersteller ausgelagert.


Mit unserem ersten auf Amanitin basierenden ADC-Wirkstoffkandidaten HDP-101 sind wir 2022 in die klinische Phase eingetreten. Wir entwickeln HDP-101 in der Indikation Multiples Myelom, der weltweit zweithäufigsten Blutkrebserkrankung.


Wir haben mit sehr geringen Dosen und sehr wenigen Patienten begonnen. Der große Erfolg hat sich dann 2024 eingestellt: Wir konnten nachweisen, dass die Patienten objektiv auf unser Medikament angesprochen haben. Im erreichten Dosisbereich haben wir pharmakologische Wirksamkeit nachgewiesen, das heißt die Tumore sind um mindestens 50 Prozent zurückgegangen. Ganz besonders stolz sind wir darauf, dass wir bei einer Patientin eine „complete remission“, einen vollständigen Rückgang des Tumors zeigen konnten: Sie hatte sich über zwanzig Jahre hinweg neun verschiedenen Therapien unterzogen. Das Feedback in der Fachwelt ist einheitlich: Niemand hätte gedacht, dass wir jetzt in der zehnten Linie mit einem Medikament noch ein komplettes Verschwinden des Tumors erreichen können.


"Pioniere brauchen Durchhaltevermögen und erfahrene Investoren."

Ein solch langer Weg ist auch eine Frage des Durchhaltens und der Finanzierung…


Es ist immer so: Pioniere müssen manchmal Umwege gehen, um an das definierte Ziel zu gelangen. Forschung ist immer ein kapitalintensives Feld, in dem sich der finanzielle Erfolg oft erst nach Jahren einstellt. Das erfordert Durchhaltevermögen und Investoren, die an den Erfolg der Forschung glauben und dabei über eine gewisse Branchenerfahrung verfügen. Es erfordert in der Regel zweistellige Millionenbeträge, um überhaupt zur Zulassung einer klinischen Studie zu gelangen.


Heidelberg Pharma ist aus der Wilex AG und der Heidelberg Pharma GmbH hervorgegangen. 2017 wurde das Unternehmen nach einem Restrukturierungsprozess in Heidelberg Pharma AG umbenannt. Wir haben das Glück, dass wir mit dem SAP-Gründer Dietmar Hopp und ihm verbundenen Unternehmen über einen Hauptinvestor verfügen, der bereit war, in ein aufstrebendes Forschungsunternehmen zu investieren. So konnten wir ab 2010 unsere Technologie mit dem neuen Wirkprinzip entwickeln.


Ein weiterer Glücksfall war 2022, dass Huadong Medicine als zweiter Großinvestor und strategischer Partner dazugestoßen ist.


Wie wichtig sind Kooperationen auf dem weiteren Wachstumspfad?


Starke Partnerschaften mit internationalen Pharma- und Biotech-Unternehmen sowie renommierten wissenschaftlichen Forschungsinstituten und medizinischen Einrichtungen sind für unseren Erfolg sehr wichtig.


Auch in der Produktion sind wir auf Partnerschaften angewiesen, um unseren Wirkstoff in ausreichender Menge und in höchster Qualität produzieren zu können. Wir brauchen dazu eine Vielzahl von spezialisierten Servicepartnern, also Auftragsforschungs- oder Lohnherstellungsunternehmen. Ein Unternehmen unserer Größe kann nicht alle Geschäftsfelder abdecken. Um diese zu koordinieren, haben wir im Unternehmen hochspezialisierte Projektmanager, die dieses Netzwerk und unsere Lieferkette betreuen.


"Wir haben nun einen Partner, der unser Medikament für 1,3 Milliarden Chinesen entwickelt."

Welche Rolle spielt in diesem Kontext Ihr chinesischer Partner Huadong?


Über unseren strategischen Partner Huadong haben wir einen einzigartigen Zugang zu chinesischen Auftragsforschungsunternehmen, die preislich und von der zeitlichen Zuverlässigkeit her sehr kompetitiv sind. Wir können uns gemeinsam mit unserem Partner ganz anders im Markt aufstellen, als wir das alleine als Heidelberg Pharma tun könnten. Es ist eine Win-win-Situation. Wir machen mit unseren Produkten die frühe Entwicklung. Unser Partner führt die Studie für den riesigen chinesischen Markt weiter - und hat jetzt auch schon eine erste Genehmigung für die Durchführung einer klinischen Studie bei den Arzneimittelbehörden vor Ort bekommen. Wir verdoppeln also den Markt. Als Heidelberg Pharma können wir ohne entsprechende Struktur in China nie selbst ein Medikament entwickeln. So haben wir nun einen Partner, der für 1,3 Milliarden Chinesen unser Medikament genauso für den Markt entwickelt, wie wir das jetzt für Europa und die USA tun. Insofern ist das für uns eine sehr gewinnbringende Partnerschaft.


Wie wichtig ist den Kooperationen die Sicherung der Intellectual Property?


Patente sind die Währung jeder Biotech-Firma. Wir haben eine sehr aktive eigene Patentabteilung, die unsere rund zwanzig Patentfamilien absichert. Und natürlich schließen wir mit jedem Partner Vertraulichkeitsvereinbarungen ab. Es gibt jedoch immer eine kleine Restmenge an Transfer von Know-How, die man nicht vermeiden kann; nur so ist eine Produktion außerhalb unserer eigenen Labore möglich.


Aber wenn man ehrlich ist, ist die größere Sorge und Diskussion im Augenblick nicht so sehr der Abfluss von Knowhow, sondern die geopolitische Lage mit ihren multiplen Spannungen und Krisenherden.


Was ist da Ihre Befürchtung?


Es geht dabei um Patientendaten aus den USA, die wir in unseren Studienzentren vor Ort erhoben haben, die in China nicht verwendet werden dürfen und umgekehrt. Es besteht die Gefahr, dass Medikamente, die in China hergestellt werden, nicht mehr in den USA genutzt werden dürfen.


Wir fürchten im Wortsinn zwischen die Fronten zu geraten und von uns entwickelte Medikamente nicht mehr global einsetzen zu können. Studien, die der Zulassung eines Medikaments vorausgehen, sind in der Regel global. Man entwickelt nie ein Medikament nur für ein Land. Man will es weltweit einsetzen und braucht weltweite Partner, die es in den Markt bringen. Leider gibt es Tendenzen in der Politik einiger Länder, diesen Prozess komplizierter zu machen, indem nationale Interessen vorgeschoben werden.


Interview geführt von Hans Gäng, local global GmbH



Weitere Interviews aus dem CIIPA-Jahresbericht 2024/2025 finden Sie hier: https://www.ciipa.de/ciipa-jahresreport-2024-2025


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