05.06.2019, Berlin – Am Pariser Platz, mit Blick auf das Brandenburger Tor, richtete die in Jiangsu gelegene Stadt Taicang, 2008 von der chinesischen Regierung Taicang als „Zentrum für deutsch-chinesische Unternehmenszusammenarbeit“ auf nationaler Ebene ausgezeichnet, am 05.06.2019 ihren diesjährigen Taicang-Tag aus. Im Fokus der Veranstaltung: Die innovative Zusammenarbeit zwischen chinesischen und deutschen Städten.
Die im Osten der VR China und in der Provinz Jiangsu gelegene Stadt Taicang ist nur ca. 50 km vom Zentrum der Metropole Shanghai entfernt. Sie zählt gerade einmal – für chinesische Verhältnisse eher überschaubar – etwa 1 Million Einwohner. Aber sie gehört zu den ganz großen „chinesischen Playern“, was die chinesisch-deutsche wirtschaftliche Zusammenarbeit angeht. Sie hat sich inzwischen den weit geläufigen Titel „Heimat der Deutschen in China“ erworben. Andere Stimmen nennen sie „Hauptstadt Chinas – für den deutschen Mittelstand“. Die bedeutende deutsche Tageszeitung „Die Welt“ betitelte bereits im Jahre 2013 einen ausführlichen Bericht über Taicang mit den Worten „Taicang – Die deutsche Musterstadt mitten in China“. Und sie wies zugleich auf die Enstehungsgeschichte dieser Bezeichnung hin: „Nachdem mit Kern Liebers, einem Zulieferer für die Automobil- und Textilindustrie, im Jahr 1993 das erste deutsche Unternehmen in Taicang die Produktion aufnahm, folgten schnell weitere Firmen aus Deutschland, vor allem aus Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen.“
Inzwischen hat die Zahl der in Taicang angesiedelten deutschen Unternehmen bereits die Zahl 300 überschritten. Dieser Erfolg Taicangs hat u. a. das Interesse anderer chinesischer Städte geweckt, die mittels von Delegationsbesuchen das „Erfolgsgeheimnis“ von Taicang ergründen wollen. Und dieses Erfolgsrezept weist zahlreiche Facetten auf. So beispielsweise die Etablierung einer Verwaltung der „kurzen Wege“, ein deutscher Kindergarten, die Einrichtung einer dualen Ausbildung zur Sicherung eines Arbeitskräftepotenzials für die Unternehmen oder auch die Errichtung eines German Centers, des einzigen in China neben denjenigen in Shanghai und Beijing. Und unter dem Dach der China International Investment Promotion Agency des chinesischen Handelsministeriums (CIIPA) in Frankfurt hat die Stadt Taicang auch eine eigene Repräsentanz errichtet, deren Vertreter intensiv in Deutschland unterwegs sind, Kontakte knüpfen und für den Standort werben. Und schließlich zur weiteren „Nachhaltigkeit“ der Präsenz in Deutschland: Seit 2008 richtet man jährlich in Deutschland einen „Taicang-Tag“ aus, dessen nunmehr zwölfte Auflage im Herzen Berlins, im zwischen dem Adlon und dem Brandenburger Tor gelegenen Kongress- und Tagungszentrum Axica, in einem besonders stilvollen Ambiente stattfand.
Eröffnet wurde die u. a. von der Staatlichen Kommission für die Entwicklung und Reform der Volksrepublik China (NDRC) mitgetragene und von Dr. Michael Borchmann (CIIPA-G) moderierte Veranstaltung durch LI Zhenjing, Botschaftsrat für Wirtschaft aus der chinesischen Vertretung am Märkischen Ufer. Botschaftsrat Li setzte die Veranstaltung in den Rahmen der intensiven chinesisch-deutschen Beziehungen, geprägt u. a. durch mehr als 70 bilaterale Dialogplattformen und durch ein hochwertiges Geflecht beiderseitiger Handelsbeziehungen. Nunmehr sei „Innovation“ das Schlüsselwort für die bilateralen Beziehungen. Beide Länder wiesen eine ideale Komplementärfunktion auf: Die Innovationskraft Deutschlands einerseits und der große chinesische Markt ergänzten sich ideal. Und die eigentliche Kooperation finde auf Ebene der Städte statt, in diesen Zeiten sehr „komplexer“ Weltpolitik ein besonders drängendes Gebot.
Štefan Füle, früherer tschechischer Minister und Mitglieder der EU-Kommission, bedauerte, dass er in seiner früheren EU-Funktion nichts mit China zu tun gehabt habe. Das Verhältnis der EU zu China sei von Freihandel geprägt, die regionale Kooperation sei dabei die Brücke. Ein wesentliches Element für den Erfolg sei „Reziprozität“.
Der stv. Generaldirektor von NDRC, LIU Jianxing, erinnerte daran, dass chinaweit in Hangzhou die 5. Innovationswoche gestartet worden sei, und die Veranstaltung in Berlin sei ein Bestandteil davon. Daher trete der NDRC auch als Mitveranstalter auf. Zentrale Aufgabe des NDRC sei der Aufbau innovativer Kooperationen. Taicang, das viele deutsche Hidden Champions angezogen habe, sei die chinesische Modellstadt für solche Kooperationen. Er beschrieb weitere Zukunftsplanungen, insbesondere die Perspektiven des Jangtse-Deltas. Für den Bundesverband Deutscher Start-ups führte dessen stv. Präsident, Sascha Schubert, aus, dass die Aktivitäten deutscher Start-ups bisher vor allem die USA im Blick gehabt hätten, nunmehr habe man aber auch 60 deutsche Start-ups nach China begleitet. Und er gehe von einer weiteren Intensivierung aus.
WANG Jianguo, Oberbürgermeister der Stadt Taicang und auch in Deutschland aufgrund der intensiven Deutschland-Kontakte ein bekanntes Gesicht, begrüßte im Namen der gastgebenden Stadt und stellte Lage und Struktur vor sowie das Spektrum des Serviceangebots, das Taicang für deutsche Unternehmen (darunter 40 Hidden Champions) so attraktiv mache, u. a. auch Veranstaltungen wie ein beliebtes Oktoberfest. Seitens der AHK Greater China nannte Direktor Tobias Urban einen heute herausragenden Innovations- und Wachstumstreiber. Kernelement der Kooperation seien die persönlichen Beziehungen, weshalb die aktuelle Veranstaltung von besonderem Wert sei.
Die Attraktivität Taicangs wurde nochmal von WANG Hongxing vertieft, Parteichef der Hightech-Zone Taicangs, bevor Axel Fuchs, Bürgermeister der Stadt Jülich, die vor 2 Jahren durch einen Vorvertrag auf den Weg gebrachte und in diesen Tagen endgültig besiegelte Partnerschaft mit Taicang beschrieb. Man pflege seit dem Vorvertrag einen intensiven Austausch, es gebe Bürgerdelegationen ebenso wie einen Schüleraustausch und viele junge Chinesen seien zum Studium in Jülich.
Für die Chinesische F&E Innovationsunion in Deutschland (CFEID e.V.) stellte deren Generalsekretär YIN Hang deren Organisationsstruktur vor, ihre Fokussierung auf neue Technologien und die bestehenden Kooperationsmöglichkeiten.
Und dann gab der Moderator einem Redner das Wort, den er als Personifizierung des Taicang-Tages 2019 bezeichnete, nämlich als Gesicht des German Centers in Taicang und zugleich „waschechten“ Berliner: Managing Director Matthias Müller. Müller beschrieb die Dynamik Taicangs, die er hautnah miterlebe. Und in einer von den Besuchern sehr aufmerksam verfolgten Präsentation stellte er umfassend das Serviceangebot und die aktuelle Inanspruchnahme des German Centers vor. Es folgte eine Skizzierung der BMW-Aktivitäten in Shenyang durch Frau YI Bian, bevor Berlins früherer Innensenator und Bürgermeister sowie aktueller Abgeordneter Frank Henkel seine Erfahrungen schilderte, wie China sich beeindruckend seit seinem ersten Besuch 2001 entwickelt habe. Was Berlin betreffe, sei die Stadt mit ihrer führenden Start-up-Szene für die China-Kooperation gut aufgestellt.
Nach einigen weiteren Wortbeiträgen folgte dann einer der Höhepunkte des Tages, nämlich die zeremonielle Gründung (Kick-off) der chinesisch-deutschen Städteallianz für Innovation.
Das Programm war damit aber noch nicht abgeschlossen, vielmehr schlossen sich noch zwei ausgesprochen hochkarätig besetzte Paneldiskussionen zum einen über die Einbindung von Wirtschafts- und Industrieverbänden und zum anderen von chinesischen Innovationszentren in Deutschland in den innovativen Kooperationsprozess an.
Erschienen in: Deutsch-Chinesische Allgemeine Zeitung
Comments